Maruša Sagadin: Schnelle Beine (Marjetka), Schlechte Laune ohne Kiosk und Küche (Juliana Three-Legged)

Neukirchen / Erzgebirge

Maruša Sagadin, Schlechte Laune ohne Kiosk und Küche (Juliana Three-Legged), 2020; Courtesy: Maruša Sagadin; Foto: Mark Frost

Die beiden Skulpturen Juliana und Marjetka der 1978 in Ljubljana/Slowenien geborenen Künstlerin Maruša Sagadin, die heute in Wien/Österreich lebt und arbeitet, zeigen sich in ihren cartoonhaften Formen mit spielerischem Humor. Wer würde nicht gerne auf einem der Objekte aus Beton, Holz und farbigem Lack Platz nehmen? Auf einem Rasenstück, dort wo die wiederentdeckte mittelalterliche Pilgerroute des Sächsischen Jakobswegs in Adorf/Neukirchen eine scharfe Kurve macht, lädt die Künstlerin mit ihren Skulpturen fröhlich und gut gelaunt Passant:innen wie Bewohner:innen ein, diesen Ort genauer zu betrachten. Mit ihren Skulpturen, die Andeutungen von Füßen oder Stiefeln erkennen lassen, und dem Einsatz von leuchtender Farbe fordert die Künstlerin die Betrachter:innen dazu auf, soziale Mechanismen, ästhetische Codes und verfestigte Erzählungen im sozialen Raum ihres Aufstellungsortes zu entdecken und zu hinterfragen. 

Mit ihrem gestalterischen Geschick, ihrer Sensibilität für Ortsgeschichte und regionales Brauchtum haben sich die Adorfer Bürger:innen aus einem ganz ähnlichen Impuls heraus in unmittelbarer Nachbarschaft selbst ein beachtliches Denkmal geschaffen. Alljährlich wird in der Vorweihnachtszeit eine 6,40 Meter hohe Göpelpyramide aufgebaut und mit einem „Mannlmarsch“ von 24 Adorfer:innen in den historischen Kostümen der Pyramidenfiguren in Gang gesetzt. Sie vermitteln in der für das Erzgebirge typischen und ikonischen Formensprache, worauf sich ihre Gemeinschaft gründet: auf eine empfindende Tiefenkenntnis spezifischer Geschichten, die sie in der besonderen Mischung von Symbolen, Figuren und Farben aus Christentum, Arbeitswelt und Brauchtum zum Ausdruck bringen. 

(Text: Alexander Ochs / Ulrike Pennewitz)

Maruša Sagadin
Schnelle Beine (Marjetka), 2019

In Neukirchen

Material: Beton, Pigmente, Holz, Farbe 

Größe:125 x 167 x 95 cm 

 

Maruša Sagadin
Schlechte Laune ohne Kiosk und Küche (Juliana), 2020

In Neukirchen

Material: Beton, Pigmente, Holz, Lack 

Größe: 55 x 195 x 65 cm 

Aufgestellt mit Unterstützung der Gemeinde Neukirchen / Erzgebirge.

Adresse:
Wiesenfläche ggü. Adorfer Hauptstraße 92
09221 Neukirchen/Erzgebirge

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Neukirchen – Auf dem Land Neue Wege gehen 

Neukirchen entstand als Waldhufendorf in einem Besiedlungszug Mitte des 12.Jhs, wie auch die Nachbarorte Jahnsdorf und Amtsberg am Purple Path. Neukirchen gehörte zum Lehensgebiet des Benediktinerklosters Chemnitz. Das Zinsregister des Klosters bezeugt das schon für das 12.Jh. und erwähnt den Ort als „innova ecla“ (lat. Abkürzung für nova ecclesia, dt. neue Kirche). 

 

Alte und neue Wege 

Entwickelt hat sich der Ort auch dank seiner Lage nahe der alten Frankenstraße. Seit dem 13. Jahrhundert wird der Handelsweg von Bautzen in der Oberlausitz, wo sie von der Via Regia abzweigte, über Dresden, Freiberg und Chemnitz nach Zwickau, wo sie auf die Via Imperii traf, als Frankenstraße bezeichnet. Entlang der historischen Frankenstraße verläuft heute der Pilgerweg Sächsischer Jakobsweg

 

Renaissance: Wasserschloß Klaffenbach 

Ackerbau, Viehzucht, Waldwirtschaft und Handwerk dominieren das Dorf bis ins 19.Jh. Zum zentralen Wirtschaftort seit dem 16.Jh. wird das Rittergut. Der sehr vermögende Bergmeister und Münzmeister Wolf Hünerkopf aus Annaberg kaufte 1543 das Land vom Kloster Chemnitz ab. In der Folgezeit entsteht hier auch ein Schlosskomplex. 

Markantester Teil der Anlage ist das Wasserschloss im Renaissance-Stil. Nach einigen Besitzerwechseln über die Jahrhunderte erwarb die Nachbargemeinde Klaffenbach 1926 und 1934 den Schloss- und Gutskomplex Neukirchen. Heute ist es unter dem Namen Wasserschloß Klaffenbachein weitbekannter Veranstaltungs- und Kulturort mit Museum, Hotel (****), Golfplatz, Kreativateliers und Reiterhof. 

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Textilindustrie und Transformation 

Die Textilindustrie fasst ab den 1850er Jahren Fuß in Neukirchen und bleibt bis Anfang der 1990er Jahre ein wichtiger Arbeitgeber. Die größte Strumpfwirkerei im Ort wurde 1877 gegründet, 1903 errichtete man ein großes Fabrikgebäude. Doch davon sind keine historischen Spuren sichtbar, denn heute befindet sich auf dem Gelände das Wohngebiet „Sonnenhang“. Strukturwandel und Transformationen sind auch heutzutage noch Themen, welche die Neukirchener Bürgschaft relevant sind. 

Gemeinden im ländlichen Raum arbeiten permanent an der Lebensqualität, an der Infrastruktur und dem kulturellen Leben, um ihren Einwohnerinnen und Einwohnern neue Perspektiven für die Zukunft zu bieten. Zwei Beispiele dafür sind der Kulinarische Makerhub, ein Partnerprojekt der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025, und der Biohof Gebrüder Bochmann, der eine außergewöhnliche Übernachtungsmöglichkeit für Jakobsweg-Pilger bereithält. 

 

Altäre zum Niederknien: Kirchgemeinde Adorf/Erzgebirge 

Die Evangelisch-Lutherische Kirche im Neukirchener Ortsteil Adorf liegt am Jakobsweg zwischen Chemnitz und Stollberg. Die Saalkirche mit ihrem Südostturm wurde 1909 in Reformstil-Architektur errichtet. Sie ist nicht nur Gotteshaus der Gemeinde und Andachtsort für Pilger, sondern auch für Gäste der Region interessant. Im Veranstaltungskalender stehen neben den Gottesdiensten, religiösen Festen, Chor- und Jugendarbeit auch öffentliche Konzerte und Begegnungen. Auf dem Kirchhof befindet sich der Friedhof der Gemeinde, eine Grabgedenkstätte für KZ-Häftlinge, die Opfer eines Todesmarsches waren, und ein Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges. 

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Der Sächsische Jakobsweg und der Jakobsweg Vogtland laufen entlang der mittelalterlichen Frankenstraße durch Sachsen. Beide Wege gehören zum Netz der europäischen Jakobswege, die sich im französischen St.-Jean-Pied-de-Port bündeln und von dort nach Santiago de Compostela (Spanien) führen. Durchgehend markiert und mit Pilgerunterkünften versehen, beginnt der sächsische Weg in Bautzen und führt entlang der Frankenstraße auch durch einige Orte am Purple Path. 

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Weitere Orte des Purple Path am Jakobsweg sind: 

Flöha, Freiberg, Jahnsdorf, Oederan, Oelsnitz/Erzg., Stollberg, Zwickau 

Zukunft machen: Eine typische Mentalität im Erzgebirge 

Innovationen und Traditionsbewusstsein, Offenheit und Zuwanderung sicherten seit jeher das Überleben der Montanregion Erzgebirge. All das zeugt von vielen Transformationsprozessen, die weit in die Geschichte zurückreichen und teils bis heute andauern. Die Region war immer in Bewegung. Menschen kamen und gingen mit dem wirtschaftlichen Auf und Ab, erfanden sich kulturell neu und entwickelten Handwerk und Technik weiter. Manchmal wechselten die Menschen an einem Ort einfach die Branche, um auf andere Weise ihren Lebensunterhalt zu verdienen. So ist es bis heute. 

 

Genussvoller Austausch: Kulinarischer Makerhub 

Ein genussvoller Austausch im kulinarischen Makerhub – was steckt hinter dieser Idee? Intention dieses Projektes der Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 ist es, in der Transformation lokaler Wirtschaft nicht nur Probleme, sondern auch Chancen zu sehen. Es geht zum Beispiel um den Austausch der Nutzung leerstehender Bausubstanz, hier im Falle von Neukirchen eines alten Autohauses. Was kann damit – außer dem Abriss – noch geschehen? 

Die Initiative KREATIVES SACHSEN, ein Partner der Kulturhauptstadt Chemnitz, brachte bereits 2023 Expertise aus Gastronomie, Architektur, Holzbearbeitung, Eventmanagement, Interior Design, Bildung, Jugendarbeit und Kreativwirtschaft im Autohaus zusammen. In einem intensiven Prototypingprozess ist der Standort einen wichtigen Schritt für die Transformation des Ortes nähergekommen. 

Daraus entstand die Idee, gemeinsam zu kochen und sich genussvoll mit europäischen Gästen auszutauschen. In enger Verbindung zu lokalen Produkten und Traditionen könnten so im Kulinarischen Makerhub ganz besondere Beziehungen entstehen – während und nach dem Kulturhauptstadt-Jahr 2025. Die ersten Koch-Events sind bereits in Planung. 

Im Eingangsbereich stehen die Skulpturen, die Maruša Sagadin für die Purple Path entworfen und gestaltet hat. Sie lassen sich als Bänke zum Sitzen nutzen und laden zum Verweilen ein. Somit entsteht ein neuartiger Ort für Begegnung und Kommunikation. 

Für die Kulturhauptstadt Bad Ischl Salzkammergut 2024 gestaltete die Künstlerin Maruša Sagadin das Foyer der Alten Post mit ihren spielerisch-subversiven Skulpturen neu. 

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Übernachten im Planwagen und Tiny House-Projekt: Biohof Gebrüder Bochmann am Jakobsweg 

Im Jahre 2023 erschien im Magazin GEO ein Artikel, der von außergewöhnlichen Pilgerherbergen an den deutschen Jakobswegen berichtete. Ein Abschnitt war Bert und Tilo Bochmann gewidmet. Sie betreiben in Neukirchen einen Biohof, der direkt am Pilgerweg liegt. Übernachten können Pilgerinnen und Pilger hier im Heu auf einem Planwagen. Am Hof gibt es außerdem eine Stempelstelle. 

Der Hof muss in Zukunft im wahrsten Sinne neue Wege gehen. Im Dürresommer 2018 mussten die Brüder schweren Herzens ihre Milchwirtschaft einstellen. Da Pilgern im Trend liege, wollen die Bochmanns sich jetzt ganz auf die Pilgerinnen und Pilger einstellen. Die Lage des Hofes direkt am Pilgerweg und die nahe Michaeliskirche bieten beste Voraussetzungen dafür. Weitere Unterkünfte sind in Planung. Dafür haben sich die findigen Landwirte kreative Partner gesucht. 

Einer davon ist Jacob Strobel, Professor für Holzgestaltung an der Fakultät Angewandte Kunst Schneeberg der Westsächsischen Hochschule Zwickau. Er wird mit seinen Studierenden und im stetigen Austausch mit den Bochmanns den Prototyp eines Tiny House bauen. Die Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 unterstützt dieses Projekt. 

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