Jan Kummer: Heimat Ensemble II

Gersdorf

Jan Kummer, Heimat Ensemble II, 2024; Foto: Ernesto Uhlmann

Die Gruppe Heimat Ensemble II des Malers, Objekt- und Konzeptkünstlers Jan Kummer besteht aus gleich großen, runden Elementen, die an vergrößerte Kronkorken erinnern. Die Vorlagen für Kummers Skulpturen scheinen aus dem ziellosen Basteln in der privaten Sphäre eines DDR-Haushalts zu stammen, in der anonyme Gebrauchsmaterialien zu individuellen Objekten transformiert wurden. Die vertikal oder horizontal zusammengesetzten oder mittig gefalteten Elemente mit nach innen gebogenem Rand und 21 Zacken in schwarzer, roter, blauer und grüner Fassung erinnern in dieser Anordnung an die Mickey-Mouse, die wohl bekannteste Kunstfigur der Welt. In den 1930er Jahren setzte diese der später weltbekannte US-amerikanische Zeichner und Medienunternehmer Walt Disney aus nur drei schwarzen Kreisen zusammen. Kummer überträgt die berühmte Silhouette auf die Form patentierter, DIN-genormter Dinge der Alltagswelt. In spielerisch-ironischer Überspitzung, Anspielung und Skalierung werden so Wegwerfprodukte aus dünnem Blech, die eigentlich nur für den einmaligen Gebrauch konzipiert sind, zum dauerhaften Kunstwerk erhoben.

Der 1965 in Weimar geborene Jan Kummer lebt und arbeitet heute in Chemnitz. In seinen Bildwelten greift er erzählerische Elemente auf, die Verbindungen zwischen einer aus vermutlich fragmentierten Versatzstücken bestehenden Erinnerungswelt und der von ihm so beobachteten Gegenwart herstellen. Mit der Skulpturengruppe Heimat Ensemble II zitiert der Künstler die Vorstellung heimatlicher Heim- und Handarbeit sowie regionalen Brauchtums. Mit dem Motiv erinnerter Selbstwahrnehmung schafft er auch einen Rückblick auf die Mangelgesellschaft der DDR: Alles wurde auf seine Brauchbarkeit geprüft, in einem zweiten Produktionszyklus klug verwertet und heute wird die Erinnerung zur Kunst.

(Text: Alexander Ochs / Ulrike Pennewitz)

Jan Kummer
Heimat Ensemble II (2024)

In: Gersdorf

Material: Faserverstärktes Kunstharz, Stahl

Aufgestellt mit Unterstützung der Gemeinde Gersdorf.

Adresse:
Hauptstraße 244 
am Hegebach

09355 Gersdorf

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Gersdorf – Kreativ und geschmackvoll 

Gersdorf ist eine ländliche Gemeinde des Landkreises Zwickau und liegt am Fuße des Erzgebirges. Die Geschichte des Ortes am Hegebach reicht bis ins 12. Jh. zurück. 1320 fand erstmals die Marienkirche  urkundliche Erwähnung. Bezeugt ist aus dieser Zeit auch die Zuwanderung von Siedlern aus Franken. Von deren Lokator (Siedlungsunternehmer), der wohl den Namen Gerhard oder Gerfried führte, lässt sich der Ortsname Gersdorf ableiten. 

Im 19.Jh. profitierte das Dorf vom Steinkohlenbergbau im Revier Lugau-Oelsnitz  und dem Aufschwung der Textilindustrie. Als der Bergbau in den Gersdorfer Schächten Merkur und Pluto 1943 endete, blieben im Ort die Textilbetriebe als Arbeitgeber. Die dörfliche Struktur blieb bis heute erhalten, Landwirtschaft spielt nach wie vor eine Rolle. Das Wappen von Gersdorf zieren daher Bergmann und Landwirt sowie zwei textile Produkte: Strumpf und Handschuh. 

→ Touristischer Tipp: 
Interessantes in malerischer Landschaft: Bergbaulehrpfad 
Ortsübergreifender Rundwanderweg: Steinkohlenweg 

 

Heimatensemble: Ein neues Kunstwerk im Ortskern 

Marienkirche, Gemeindeverwaltung, Feuerwehr, Sparkasse, Modellbahnclub, Schule – all das sind zentrale Mosaiksteine, die hier im Ortskern von Gersdorf die Heimat ausmachen. Gleich bei der Grundschule steht das Purple-Path-Kunstwerk ´Heimatensemble´ von Jan Kummer. Motivisch greift er damit die Basteleien aus Kronkorken auf, die es zu DDR-Zeiten hier und andernorts gab. Diese Assoziation lag nahe, denn gleich wenige Minuten Fußweg entfernt, befindet sich ein wichtiger Arbeitgeber: die Glückauf-Brauerei Gersdorf.

Auch die Brauerei, gegründet 1880, wurde über Generationen zu einem Stück Heimat. Sie gab und gibt solide Arbeit. Mit den traditionellen und kreativen Bieren identifiziert sich die Gemeinde und das Umland. In Familienbesitz und seit zwei Generationen von Frauen geführt, steht die Glückauf-Brauerei für Engagement in der Gesellschaft, auch als Sponsor im Sport. Das ´Glückauf´ in ihrem Namen erinnert an die Bergbautradition und die Nähe zum Erzgebirge. 

 

Im Zentrum: Orte der Kreativität 

Jan Kummers kreative Skultpur ´Heimatensemble´ steht nicht nur geografisch in der Ortsmitte, sondern auch im kreativen Zentrum von Gersdorf. Da ist auf der einen Seite der Hauptstraße die Grundschule Gersdorf. Hier lernen Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 bis 4. Als Ganztagesschule bietet sie jede Menge Kreativangebote in technischen, landwirtschaftlichen, handwerklichen und künstlerischen Bereichen. Die Arbeitsgemeinschaften tragen Namen wie ´AG Junge Tüftler´ und ´AG Computer´, ´AG Schulgarten´ und ´AG Töpfern´, ´AG Musikmäuse´ und AG Holzkunst´. Programmieren lernen, Gemüse- und Obst anbauen, Tongefäße formen, Blasinstrumente spielen, Holz bearbeiten – enorm vielfältig sind die Aktivitäten, die Kinder hier über den Unterricht hinaus bereits in jungen Jahren ausprobieren können. 

Direkt gegenüber, auf der anderen Seite der Hauptstraße, befindet sich das Tetzner Museum. Es ist dem Leben und Werk des Gersdorfer Malers und Grafikers Heinz Tetzner (1920-2007) gewidmet. Stilistisch gilt er als Expressionist, wenngleich dieses eine Etikett vielleicht den Blick auf die Vielfalt seines Schaffens verstellt. Eines seiner Hauptthemen war die künstlerische Auseinandersetzung mit Werten wie Liebe und Achtung gegenüber Mensch, Tier und Natur. Ein Förderverein engagiert sich dafür, dass das kreative Erbe Tetzners weiterlebt. 

 

Sound am Purple Path: Evangelische Marienkirche 

Für das Jahr 1320 ist in Gersdorf erstmals eine Marienkirche urkundlich erwähnt. Ihr Standort befand sich aus heutiger Sicht am Ortsrand. Die Gemeinde beschloss im Jahre 1862 einen Neubau nahe dem heutigen Ortszentrum. Errichtet wurde die jetzige Evangelische Marienkirche  1862-1865 als große Saalkirche im Rundbogenstil mit doppelgeschossigen Holzemporen. Markant sind ihr leuchtend gelber Verputz und die Rundbögen der Fenster aus rotem Klinker. Von 1997 bis 2001 wurde das Gotteshaus grundlegend saniert. Bemerkenswert ist die Jehmlich-Orgel. Sie wurde vom sächsischen Orgelbaumeister Wilhelm Fürchtegott Jehmlich 1868 gebaut (Umbau und Erweiterung 1913), Sohn des Orgelbauers Carl Gottlieb Jehmlich aus Zwickau.  

Beide gehörten zur Zwickauer Linie der berühmten Orgelbauerfamilie Jehmlich, die in Sachsen über mehrere Generationen hinweg Gotteshäuser mit Orgeln ausstatteten. 1808 begründeten die Brüder Gotthelf Friedrich, Johann Gotthold und Carl Gottlieb die Orgelbautradition der Familie im erzgebirgischen Cämmerswalde. 1827 siedelte die Firma nach Dresden über, ein Zweig der Familie etablierte 1843 eine Werkstatt in Zwickau. Seit 2006 führt Ralf Jehmlich das Unternehmen in 6.Generation in Dresden. Damit ist Jehmlich Orgelbau die älteste, noch bestehende Orgelbauermanufaktur der Welt. 

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In der Tradition der Expressionisten 

Maler, Grafiker, Ehrenbürger: Heinz Tetzner (1920-2007) 

Heinz Tetzner wurde am 8. März 1920 in Gersdorf geboren. Das Dorf blieb immer der Mittelpunkt seines Lebens, auch wenn ihn die Lehrjahre wegführten. Zunächst absolvierte er eine Ausbildung zum Musterzeichner. Der Einstieg in den Beruf wurde durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen, zu dem er als wehrpflichtiger Soldat eingezogen wurde. In Königsberg hatte er die Gelegenheit, als Gastschüler an der Kunstakademie bei Alfred Partikel zu lernen. Allerdings nur kurz, da er nach Südfrankreich abkommandiert wurde. Hier lernte er die Provence lieben, in die es ihn später immer wieder zurückzog. 

1944 geriet er in Kriegsgefangenschaft. Über diese Zeit halfen kreative Stunden, in denen erste Zeichnungen und Aquarelle entstanden. 1946 wurde er entlassen und begann in Weimar ein Studium an der Hochschule für Bau und Bildende Kunst. Hier lernte er die Maler und Grafiker Max Pechstein, Erich Heckel und Karl-Schmidt-Rottluff kennen. Wohl vor allem Letzterer inspirierte Tetzners expressionistische Stilistik, die Zeit Lebens sein Werk prägte. 1954 ließ er sich in Gersdorf als freischaffender Künstler nieder. Früh wurden seine Werke ausgezeichnet, z.B. mit dem Max-Pechstein-Preis der Stadt Zwickau (1955) und dem Kunstpreis des Bezirkes Karl-Marx-Stadt (1956/57). 

1960 erhielt er eine Dozentur für Farbgestaltung und Aktzeichnen an der Fachhochschule für Angewandte Kunst in Schneeberg. 1976 gab es im Städtischen Museum Karl-Marx-Stadt (Heute: Chemnitz) seine erste Personalausstellung. Mehrfach zeigte er seine Werke als Mitglied des Verbandes der Künstler der DDR in Dresden zu den Deutschen Kunstausstellungen. Aufgrund seiner kritischen Haltung wurde Tetzner vom Ministerium für Staatssicherheit bespitzelt. 1990 fand anlässlich seines 70. Geburtstages eine große Retrospektive in den Kunstsammlungen Chemnitz statt. 1996 und 1998 stellte er in der Galerie Monserrat in New York aus. 

Neben der Kunst war es auch die tiefe Religiosität, die Heinz Tetzners Leben beeinflusste. Er war Angehöriger der Zeugen Jehovas, ebenso wie seine Frau Charlotte, die er 1951 heiratete. Sie war während ihrer Inhaftierung im Konzentrationslager Ravensbrück 1941 zur „Bibelforscherin“ geworden, so eine frühere Bezeichnung der Glaubensgemeinschaft. Im „Königreichssaal“ der Zeugen Jehovas in Gersdorf schuf Tetzner eine Wandmalerei, die Jesus Christus darstellt. Heinz Tetzner blieb bis ins hohe Alter künstlerisch tätig und wurde 1995 zum Ehrenbürger Gersdorfs ernannt. Er starb nach langer schwerer Krankheit am 20. August 2007. 

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Zukunft machen: 

Eine typische Mentalität in Westsachsen 

Innovationen und Traditionsbewusstsein, Offenheit und Zuwanderung sicherten seit jeher das Überleben der Bergbau- und Industrieregion Westsachsen. All das zeugt von vielen Transformationsprozessen, die weit in die Geschichte zurückreichen und teils bis heute andauern. Die Region war immer in Bewegung. Menschen kamen und gingen mit dem wirtschaftlichen Auf und Ab, erfanden sich kulturell neu und entwickelten Wirtschaft und Technik weiter. So ist es bis heute. Tradition, Handwerk und Kreativität gehen dabei zuweilen eine genussvolle Kombination ein.

 

Von Frauen auf Erfolgskurs geführt: Glückauf-Brauerei Gersdorf 

Die Gründungsgeschichte der Glückauf-Brauerei Gersdorf ist typisch für die vielfachen Transformationen der Region: Richard Hübsch eröffnet seinen Betrieb 1880 mit sechs Mitarbeitenden in einer stillgelegten Strumpffabrik. Die Brauerei bleibt über Jahrzehnte ein privater Betrieb und wächst, bis sie 1949 in der DDR-Zeit zwangsverstaatlicht und 1968 in ein volkseigenes Getränkekombinat eingegliedert wurde. Die kleine Betriebsstätte sollte dann plötzlich aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden, aber die sehr gute Qualität des Bieres verhinderte das. 

Mit der Deutschen Einheit 1990 kommt der Betrieb zunächst in die Verwaltung der Treuhandanstalt Berlin. Bange Monate folgen: Wie geht es weiter? Renate Scheibner, ehemals stellvertretende Betriebsdirektorin, gewinnt das Vertrauen von Treuhand sowie Mitarbeitenden und wird Geschäftsführerin. Ihr gelingt es, die Brauerei zu privatisieren. Damit startet sie eine große Erfolgsgeschichte, die bis heute fortgeschrieben wird. Allein bis zum Jahr 2000 werden 18 Mio. Euro in die Modernisierung investiert. 2013 ging der Staffelstab der Geschäftsführung an Tochter Astrid Peiker-Holzmüller über.  

Vielfach ausgezeichnet wurden die Glückauf-Biere seit dem Neustart 1990, sowohl Biere nach traditioneller Brauart als auch kreative Mixed-Biere, u.a. 2007 mit dem Goldenen Preis der DLG - Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft e.V. Im Jahre 2010, zum 130. Jubiläum, erhält die Glückauf-Brauerei des Bundesehrenpreis. Mehrere internationale Preise und Zertifizierungen folgen. Trotzdem ist die Glückauf-Brauerei Gersdorf vor allem ein Stück Heimat geblieben. Der Betrieb steht zur Besichtigung und Verkostung offen. Zum jährliche Brauereifest am ersten Samstag im Juni kommen viele Gäste aus nah und fern. 

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