Gregor-Torsten Kozik & Frank Maibier: Gedenken
Chemnitz


Auf dem Gelände des Rehabilitationszentrums für Blinde und Sehbehinderte in Chemnitz ragt ein hochrechteckiger Tunnel aus Cortenstahl aus einem grasbewachsenen Erdwall auf. Er führt vorbei an einer Stehle mit einem Zitat des chinesischen Philosophen Konfuzius hin zu einer bühnenartigen Mitte. Diese entsteht durch eine kreisrunde, an ein Amphitheater erinnernde Absenkung. Wie nicht besetzte Sitzreihen umgeben Stufen aus gemauertem Klinker den sich um 15 Prozent absenkenden Platz. Eine ungleichmäßige, schwer wirkende Kugel mit rissiger Oberfläche liegt wie ein erratischer Findling leicht versetzt zum Zentrum des Platzes Mitte und initiiert ein Bild, als wäre ein Komet in den Grund eingeschlagen. Betrachtende werden unwillkürlich zu Akteur:innen einer nach dem Aufschlag still gewordenen Szene des bloßen Spürens.
Die beiden in Chemnitz lebenden und arbeitenden Künstler Gregor Torsten Kozik, 1948 in Hildburghausen und Frank Maibier, 1959 in Werneuchen geboren, schufen mit ihrem Kunstwerk auf dem Areal der 1905 gegründeten, fortschrittlich und humanistisch ausgerichteten „Königlich-Sächsischen Landeserziehungsanstalt für Blinde und Schwachsinnige“, von den Nazis später als „Landesanstalt Chemnitz-Altendorf“ bezeichnet, einen Ort des Gedenkens. Im Rahmen der Aktion T4, eines Programms zur Ermordung von Menschen mit geistigen und körperlichen Beeinträchtigungen, wurde auch die Chemnitzer Landeserziehungsanstalt Teil des mörderischen Euthanasieprogramms.
Ab Mai 1940 wurden von hier aus fast 400 Menschen über die Zwischenanstalten Arnsdorf, Großschweidnitz, Hubertusburg, Waldheim und Zschadraß in die Tötungsanstalten Brandenburg, Grafeneck, Hartheim und Pirna-Sonnenstein verbracht, mindestens 232 von ihnen wurden ermordet. Insgesamt wurden mehr als 70.000 Menschen Opfer der „rassenhygienischen” Verbrechen der T4-Aktion. Ihre Schicksale besetzen die leeren Sitzreihen des Denkmals und widersprechen wortlos und abwesend dem Vergessen.
(Text: Alexander Ochs / Ulrike Pennewitz)
Gregor T. Kozik und Frank Maibier
Denkmal für die Opfer der Euthanasie
Ehemaliger Friedhof im Gelände des SFZ Förderzentrum in der Flemmingstraße, Chemnitz
Adresse:
SFZ Förderzentrum gGmbH
Flemmingstr. 8c
Chemnitz
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